Wer sind die Mapuche?

Die Mapuche sind ein indigenes Volk im heutigen Chile. Sie leben vor allem im Süden des Landes, zwischen dem Bío-Bío-Fluß und der Insel Chiloe. Mit 1,2 Millionen Menschen haben die Mapuche einen Anteil von ca. 10% an der Gesamtbevölkerung Chiles.

Mapuche bedeutet in Mapudungún, der Mapuche-Sprache, ‘Menschen der Erde’ (mapu = Menschen, chu = Erde). Die Mapuche leben hauptsächlich von der Landwirtschaft und dem Kunsthandwerk. Die Verbundenheit mit der Erde spielt in ihrer Kultur eine besondere Rolle; ‘Mutter Erde’ ist für sie heilig.

Neben seiner eigenen, lebendigen Sprache besitzt das Volk der Mapuche auch seine eigenen Organisationsformen im politischen, gesellschaftlichen und familiären Leben, wobei der religiöse Lebensbereich darin eine übergeordnete Rolle spielt. So hat das höchste Amt in einem Dorf eine weise Frau, die ‘Machi’ inne. Sie leitet auch die religiösen Zeremonien wie z.B. das ‘Guillatún’, ein Ritual zur Herstellung einer Verbindung zwischen den Geistern der Erde und den Menschen.
 

Kurzer geschichtlicher Abriß

Vor über 400 Jahren besiedelten die Mapuche 31 Millionen Hektar Land in Chile. Bereits 100 Jahre später, 1641, standen ihnen nur noch 10 Millionen Hektar zur Verfügung. Im Jahre 1881 erfolgte die sog. ‘Befriedung von Araucanía’, mit der das restliche Mapuche-Territorium in einem blutigen Krieg dem bereits existierenden chilenischen Staat einverleibt wurde. 1883 wurde das Territorium auf 475.000 Hektar reduziert. Von Seiten des chilenischen Staates wurde dies damit begründet, daß eine Neuregelung der Eigentumsverhältnisse zu besserer produktiver Nutzung des Landes ansporne. Das tatsächliche Motiv war jedoch die Ermöglichung einer raschen Kolonialisierung durch Chilenen und Ausländer, unter ihnen viele deutsche Kolonisatoren, die in den Besitz der besten Mapuche-
Ländereien kamen. 1979, unter der Diktatur Pinochets, wurde das Gesetz 2568 erlassen, nach dem das Gemeinschaftsland der Mapuche nicht als solches anerkannt, sondern aufgeteilt und in Privateigentum umgewandelt wurde. Heute ist der Lebensraum der Mapuche auf nur noch 230.000 Hektar Land beschränkt.

 
Aktuelle Situation der Mapuche in Chile
 
Ein großes Problem der Mapuche ist ihre Diskriminierung innerhalb der chilenischen Gesellschaft. Angehörige indigener Völker werden in Chile als Personen zweiter Klasse behandelt. In ihren Gemeinden und Dörfern gibt es weder Schulen noch medizinische Versorgungsposten oder Krankenhäuser. Auf diese Weise sind sie von Bildung und dem Mindestanspruch auf Gesundheitsversorgung ausgeschlossen.

Der o.g. historische Hintergrund verdeutlicht die immer noch aktuelle Situation der Mehrheit des Mapuche-Volkes im Kampf um ihr Land, um Autonomie und Selbstbestimmung. Das Fatale an ihrer Situation ist, daß viele aufgrund des Landmangels in die Elendsviertel der Städte abwandern müssen, um überleben zu können. Derzeit leben ca. 50 % der 1,2 Millionen Mapuche in den Städten. Ihr eigenes kulturelles Brauchtum mußten sie aufgeben, ohne dafür die gleichen Bedingungen zugestanden zu bekommen wie der Rest der chilenischen Gesellschaft. Das staatliche Bildungssystem, das allein die spanische Sprache zuläßt, trägt der Andersartigkeit der Mapuchekultur keine Rechnung und verstärkt dadurch die Ungleichheit und Marginalisierung. Selbst ihre Namen müssen die Mapuche im Personalausweis in spanische Namen umändern. Zweisprachigen Unterricht (Mapudungún / Spanisch) gibt es  nicht einmal in den Grundschulen der Städte.
Diejenigen Mapuche, die bereits als Kinder in die Städte abgewandert sind, oder in den städtischen Gebieten geboren wurden, sind stark von ihrer ursprünglichen Kultur entfremdet, 75 % von ihnen sprechen nicht mehr ihre Muttersprache.
 

Staudammprojekte am Bío Bío

Zu diesen Schwierigkeiten kommt hinzu,  daß der chilenische Staat (ungeachtet aller Besitzrechte der Mapuche) am Oberlauf des Bío Bío ein Großstaudammprojekt mit sechs Kraftwerken zur Stromerzeugung für das 800 km nördlich gelegene Santiago zu realisieren beginnt. Das erste Kraftwerk ‘Pangue’ wurde bereits gebaut, mit dem Bau des zweiten Kraftwerks ‘Ralco’ wurde begonnen. Das bedeutet Umsiedlung von 30.000 Mapuche, Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen und katastrophale Umweltschäden. Viele Pflanzenarten sind in dem Gebiet, das überflutet werden soll, einzigartig. Die angestauten Wassermassen werden den Fluß in ein vorwiegend stehendes Gewässer verwandeln. Da der Bío Bío in den Golf von Arauco mündet, der als Fischereigebiet für die dort lebenden Mapuche und auch für Chile von enormer Bedeutung ist, ist auch dort die Lebensgrundlage vieler Menschen bedroht.

Im August diesen Jahres konnten die Mapuche durch massiven Widerstand, landesweite Demonstrationen und Besetzung des Zuganges zur Staudammbaustelle Gespräche mit der Regierung und die Unterbrechung der Bauarbeiten erreichen. Eine Antwort der chilenischen Regierung war allerdings die Umbesetzung der Direktion des Ministeriums für Indianische Angelegenheiten; Herr Rodrigo Gonzalez ist nicht indianischer Abstammung und wird sich somit nicht im Sinne der Mapuche für indianische Angelegenheiten einsetzen können....

Besonders für die Mapuche gehört viel Mut dazu, sich gegen die Pläne der chilenischen Regierung zu wehren. Noch immer gibt es politische Verfolgung, Menschen verschwinden und viele sind täglich von Verhaftung bedroht. Besonderes Anliegen der Mapuche ist auch der Kampf für die Abschaffung des Sicherheitsgesetzes aus den Zeiten Pinochets, das die Mapuche mit Terroristen gleichsetzt, ihnen einen zivilrechtlichen Prozeß verweigert und für sie nur Prozesse vor einem Militärtribunal vorsieht. So ist es kein Wunder, daß viele von ihnen in Gefangenschaft sind, und Gefängnis in Chile bedeutet meist auch Folter.
 

Die ‘Casa de Arte, Ciencia y Pensamiento Mapuche’ in Temuco
(Haus für Kunst, Wissenschaft und Denken der Mapuche’)

Zur Wiedergewinnung und Stärkung ihrer kulturellen Identität und zur Verbesserung der Lebensbedingungen entstand im Juni 1991 das Kulturzentrum, die ‘Casa de Arte, Ciencia y Pensamiento Mapuche’. Dieses ‘Projekt’ soll den Mapuche Raum für künstlerischen Ausdruck bieten, Jugendlichen auf der Suche nach ihren Wurzeln Orientierung geben, sowie Weiterbildung und auch Forschung beinhalten. Begründerin der ‘Casa’ war Rayen Kvyeh. Für den Sprachunterricht in Mapudungún sowie Alphabetisierungskurse wurde von dem Mapuche-Sprachwissenschaftler Anselmo Raguileo, einem Mitbegründer der Casa, entsprechendes Material ausgearbeitet. In den Bereichen Mythologie, Naturmedizin, Geschichte und Sprache wird Forschung betrieben. Kurse über Literatur, Malerei, Theater, Gesang, Musik, Weben, Töpfern und Silberschmuckherstellung werden angeboten. Eine der wichtigsten Aktivitäten war und ist die Herausgabe der 4 x jährlich erscheinenden Zeitschrift ‘MAPUÑUKE’, die das einzige öffentliche Sprachrohr der Mapuche darstellt.

Von Anfang an war das Kulturzentrum auf Finanzierung durch Solidarität von Außen angewiesen. Zwar wurden verschiedene Aktivitäten, wie z.B. die Silberschmuckherstellung ausgedehnt, um einen Teil der in der ‘Casa’ entstehenden Kosten selbst zu tragen, die wirtschaftlichen Schwierigkeiten blieben dennoch enorm. Vor einiger Zeit mußte daher das Kulturzentrum geschlossen werden; die Mietkosten konnten nicht mehr aufgebracht werden. Viele der Kurse und Aktivitäten gehen jedoch nach wie vor weiter, allerdings z.Zt. in Privaträumen und an verschiedenen Orten. Seit Anfang 1998 konnte auch die Zeitschrift ‘MAPUÑUKE’ nicht mehr herausgegeben werden, da sie bisher durch die Erlöse aus den verschiedenen Aktivitäten im Kulturzentrum finanziert wurde. Auf ihre wichtige Bedeutung wurde bereits verwiesen.

Internationale Solidarität und Finanzierung von außen sind nun notwendiger denn je. Langfristig ist geplant, bei Temuco Land zu erwerben, um dort ein neues Kulturzentrum aufzubauen.


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